JackSchmidt hat geschrieben: ↑25.12.2022, 20:13
Ich habe festgestellt, dass ich nicht immer gleich gut spielen kann. Wenn der Tag also nicht so der Hit ist, übe ich Sachen, die ich besser kann. An den Tagen wo es gut läuft, kommen neue und schwierigere Sachen dran.
Das ist eine sehr gute Idee. Das mache ich auch so.
Ich bin heute zum ersten Mal dazu gekommen, diesen interessanten Faden zu lesen - an einem Stück. Du scheinst ja ziemlich gute Fortschritte zu machen. Und das auch ziemlich schnell. Ich habe dafür nicht nur 3 oder 4 Monate gebraucht, sondern mindestens 3 oder 4 Jahre. Und dabei kannst du wahrscheinlich auch schon mehr, als ich damals nach so langer Zeit.
Du gehst anscheinend aber auch sehr systematisch ran. Und du hast anscheinend auch eine Menge Zeit, die du dafür einsetzen kannst. Die hatte ich nicht immer. Und deine Ausdauer und Beharrlichkeit hatte ich auch nicht immer.
Und dann kamen da bei mir auch immer wieder andere und neue Instrumente hinzu, die mich begeistert haben, und die ich zu erlernen versuchte. Einige davon kann ich mittlerweile sogar auch sehr gut spielen. Aber die verfügbare Übungszeit für jedes einzelne nimmt dabei eben ab, umgekehrt proportional zur wachsenden Zahl der Instrumente.
Zu meiner Zeit - das ist nunmehr über 50 Jahre her - gab es auch noch kein Internet, so gut wie keine Bücher zum MuHa lernen, keine Kurse und Schulungen, wahrscheinlich auch kaum Lehrer. Zumindest in meiner Umgebung gab es rein gar nichts von alledem, mal davon abgesehen, daß es das Internet überhaupt erst einige Jahrzehnte später gab.
Zudem mußte ich in einer ausgesprochen "feindlichen" Umgebung üben. Für die Familie und die meisten anderen Leute um mich herum war das einfach nur Lärm, der sie störte. Und als Schülerin hatte ich zudem noch ständig zu hören, daß ich lieber Hausaufgaben für die Schule zu machen hätte, als solchen sinnlosen Krach.
Auch die Kameraden in der Schule und andere junge Leute bei der Freizeitgestaltung fanden wenig Gefallen an meinem Spiel. Zum einen wohl, weil ich nicht die "angesagten Lieder" spielte und auch keinen Blues. Deutsche und europäische Volksmusik war damals nicht sonderlich angesagt. Und den Erwachsenen waren meiner Versuche nicht melodisch und schmalzig genug. Alle waren nur der Meinung, daß sich das Scheiße anhört.
Als ich mir dann mal ein Tonbandgerät leisten konnte - damals noch mit Spulen und völlig analog – und als Schülerin mußte man damals noch die ganzen Ferien hindurch 6 Wochen lang 8 Stunden am Tag knüppelhart durcharbeiten - da war dann nix mehr mit MuHa üben - habe ich dann als erstes mal aufgenommen, was ich gespielt habe. Und beim Abspielen habe ich einen gehörigen Schreck gekriegt: Es hörte sich tatsächlich Scheiße an!
Ich mußte es mir einige Male anhören, bis ich heraus hatte, was es war: Was ich spielte hatte überhaupt keinen Rhythmus. Das ist mir beim Spielen selber gar nicht aufgefallen. Erst die Tonaufzeichnung hat es mir deutlich gemacht. Da habe ich dann wochenlang stur nur Rhythmus geübt, vorwiegend in vollen Akkorden, so lange bis ich das endlich drauf hatte. (Ich muß wohl nicht erst erwähnen, daß ich weder wußte, was ein Metronom ist, geschweige denn, daß ich eines hatte.) Seither spiele vorwiegend akkordbetonte, rhythmische meist schnelle und sehr schnelle Tanzmusik, mittlerweile erweitert um Mehrstimmigkeit und Polyrhythmik.
Noch was zu der ein paar mal hier angesprochenen Frage "Zungenblock oder Spitzmund": Ich gehöre zu den anscheinend eher wenigen Leuten, die von Anfang an fast ausschließlich mit Zungenblock gespielt haben. Eine Anleitung dazu hatte ich nicht, lange Zeit auch nicht mal diese berühmte Kurzanleitung, die neuen MuHas beiliegt. (Meine erste hatte ich nämlich zufällig gefunden.)
Das erschien mir aber völlig logisch und am besten geeignet für das, was ich spielen wollte. Das war eben Polka einschließlich Hochgeschwindigkeitspolka, Walzer, Jigs und Reels, Kasatschok, Tango usw. Blues war so gut wie nie dabei. Das habe ich zwar u.a. auch gerne gehört. Aber zum selber spielen hat es mich nie gereizt.
Und die Vorbilder dafür beschränkten sich damals in meiner Umgebung auf John Mayall und Ozzy Osborne mit Black Sabbath, was die MuHa betrifft. Und einmal die Gelegenheit gehabt, ein American Folk Blues Festival zu besuchen, wo aber im nämlichen Jahr (1972?) auch kein MuHa-Spieler dabei war, der mir im Gedächtnis geblieben wäre.
Um das Einzeltonspiel habe ich mich erst viel später gekümmert. Schließlich dachte ich, daß das ja Mund
harmonika heißt. Und daß das Instrument vornehmlich zum Spielen von Harmonien und Akkorden ist.
Und Benden habe ich immer nur als Stilmittel benutzt, etwa um den typischen Anfang vom "Lied vom Tod" zu spielen, oder für Blue Notes, wenn es doch mal bisserl bluesig klingen sollte. Töne, die auf einer diatonischen MuHa fehlen, habe ich nie bewußt damit zu spielen versucht. Ich wußte gar nichts davon, daß das geht. Wenn die Tonart nicht passen wollte, habe ich eben eine andere MuHa genommen, so lange bis es eben paßte.
Ich habe dabei sicher immer wieder mal gebendete Töne gespielt, möglicherweise bisweilen sogar Overblows. Aber das war bei mir halt intuitiv und eher zufällig, aus dem Spielfluß heraus. Was dahinter steckte, habe ich erst Jahrzehnte später erfahren.
Mein klangliches Vorbild war da eher das Akkordeon oder die Orgel, aber auch Geige und Dudelsack, und besonders der Klang einer ganzen Blechblaskapelle oder Schalmeienkapelle. Das ist auch bis heute so geblieben.
Nur daß ich es mittlerweile besser kann.
Und das geht halt nur mit Zungenblock und konsequenter Atmung ausschließlich durch das Instrument - stets im Rhythmus der Musik, und vor allem ohne jegliche Pause durchgeballert von der ersten bis zur letzten Note eines jeden Stücks - also nix mit bluestypischen Breaks und Fills und MuHa nur für Soli. Schließlich spielte ich ja immer allein. Analog zur Rockmusik spielte ich meistens die Stimme der Rhythmusgitarre. Mein bevorzugter MuHa-Typ war folgerichtig auch lange die diatonische Oktav-MuHa, die ich auch bis heute noch sehr gerne spiele, mittlerweile allerdings ergänzt um zahlreiche andere Typen.
Ich war auch immer weit und breit die einzige, die die MuHa so spielte. Erst Jahrzehnte später habe ich zufällig mal in einer Kneipe eine Aufnahme gehört von einem mir bis heute namentlich unbekannten irischen MuHa-Spieler, der (oder die?) so spielte wie ich. Und bis heute ist das das einzige Beispiel, das mir jemals zu Ohren gekommen ist. Ich weiß nur, Brendan Power war es ganz sicher nicht. Den habe ich auch erst viel später kennen gelernt. Bisweilen hört man das Klangbild auch bei manchen "klassischen" MuHa-Trios und -Quartetten (z.B. Hub v Goiserns "Benni" in der Version des MuHa-Quartetts Austria). Da sind es dann aber immer mehrere, die zusammen spielen.
So, das ist nun mal wieder viel länger geworden als ursprünglich geplant.
Ich hoffe, das wird jetzt nicht als Entführung von Jack Schmidts Faden aufgefaßt. Es ist halt ein Kontrastprogramm dazu, wie man das Spielen der MuHa erlernen kann. Es zeigt sicher auch einige Unterschiede auf in den Bedingungen, die Anfänger vor einem halben Jahrhundert vorfanden, und wie sie heute sind.
Jack Schmidts Ansatz wird da sicher schneller zum Erfolg führen - was auch immer man darunter verstehen mag. Was da jetzt besser ist, weiß ich auch nicht. Die Hauptsache ist, daß man die Freude an der MuHa und an der Musik nicht verliert - ganz egal, mit welchen Widrigkeiten man zu kämpfen hat, oder auch welche Ansprüche man daran stellen mag.
liebe grüße
triona